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Im Sanierungsfall liegt grosses Potenzial in der Gebäudehülle

11.04.2024 Stefan Aeschi, Dipl. Architekt ETH/SIA, DAS Wirtschaft FH, Experte Bau- und Energietechnik beim HEV Schweiz

Neben Dächern, Fenstern und der Haustechnik liegt in der energetischen Optimierung der Gebäudehülle grosses, aber eher kostenintensives Potenzial. Die richtige Produktwahl allein ist noch kein Garant für eine gelungene Gebäudemodernisierung.

Nach der Winterzeit tritt die Erneuerung oder Sanierung der Gebäudehülle wieder vermehrt in den Fokus, da Witterungseinflüsse am Bestand und an der Optik der Fassade genagt haben. Eine gute Dämmung ist Voraussetzung für den effizienten Einsatz von Wärmepumpen, sie senkt den Gesamtenergieverbrauch eines Gebäudes markant. Die zunehmende Bedeutung von Strom als Energieträger verlangt vermehrt auch die Integration von Photovoltaik in die Fassade. Genauso wie bei den bauphysikalischen Anforderungen an die Wärmedämmung selbst ist auch eine optisch ansprechende und technisch einwandfreie Integration in die Fassade notwendig. Zudem sollen Baustoffe in der Produktion heute umweltfreundlich, energiearm und recyclingfähig sein.

So geht man bei einer energetischen Sanierung vor

Eine erfolgreiche energetische Sanierung sollte mit einer Energieberatung beginnen, die über eine geförderte Erstberatung von Bund und Kanton hinausgeht. Nur wenn die geplanten Massnahmen optimal aufeinander abgestimmt sind, ganzheitlich betrachtet werden und die richtigen Partner gut miteinander arbeiten, funktioniert das Gesamtsystem Gebäude – und das macht die Investition auch wirtschaftlich interessant.

Die Komplexität einer energetischen Sanierung verlangt nach interdisziplinärer Zusammenarbeit und erfahrenen Fachkräften.

Der Gebäudehülle kommt da eine tragende Rolle zu, weil eine energetische Modernisierung von aussen nach innen geschehen sollte, damit primär der Energieverbrauch gesenkt werden kann. Vor dem Heizungsersatz sollte – dem «Königsweg» folgend – zuerst die Gebäudedämmung stehen. Eine fundierte Analyse des Ist-Zustandes des Bestands ist immer sinnvoll und ein guter Startpunkt einer jeden energetischen Sanierung. Ein GEAK (Gebäudeenergieausweis der Kantone) oder besser noch ein GEAK Plus mit zusätzlichem Beratungsbericht enthält konkrete Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der energetischen Ertüchtigung eines Gebäudes und ist im Rahmen des Gebäudeprogramms auch Grundvoraussetzung zur Beantragung von Fördermitteln. Der vom GEAK-Experten erstellte Bericht ist als konzeptionelles Instrument zu verstehen. Es handelt sich dabei aber noch nicht um ein konkretes Planungsinstrument. Der GEAK-Bericht löst das Problem nicht, sondern empfiehlt entsprechende Massnahmen wie beispielsweise eine Fassadendämmung, einen Fensterund / oder einen Heizungsersatz.

Stolpersteine auf dem Weg zur gedämmten Gebäudehülle

Der GEAK-Bericht ist eine Kurzanalyse und nicht ganzheitlich. Wird eine Fassadendämmung vorgeschlagen, heisst dies noch nicht, dass die vorgeschlagene Isolation der Gebäudehülle auch tatsächlich so realisierbar ist. Vielerorts sprechen denkmalpflegerische Auflagen oder die Komplexität der bestehenden Fassadengestaltung eine andere als die vorerst gewünschte oder vorgeschlagene Sprache. Ebenso können komplizierte Anschlussprobleme zu teuren und trotzdem bauphysikalisch unsauberen Konstruktionsdetails führen. Bei komplexen Fassadengestaltungen wird oft zu schnell auf eine Innendämmung gesetzt, welche die Problematik, meist in Kombination mit einem Fensterersatz, durch Kondenswasserbildung sogar zusätzlich verschärft, wenn sie nicht bauphysikalisch einwandfrei geplant wird. Für Fassaden mit erhöhten Anforderungen betreffend Ästhetik (Verzierungen, Ornamente, Reliefs) gibt es mittlerweile sehr dünne, dafür auch kostenintensive High-Tech-Isolationen wie beispielsweise Aerogel.

Es empfiehlt sich, für die Planung und Ausführung mit erfahrenen Fachkräften wie einem Architekten, einem Bauphysiker und bewährten Unternehmern zusammenzuarbeiten. Es gibt immer Lösungen, die je nach Gewichtung auch finanziell sinnvoll sind. Bei Umbauten und Sanierungen können bauphysikalische Anforderungen objektbedingt leider nicht immer vollumfänglich realisiert werden, so dass sinnvolle Kompromisse getroffen werden müssen. Aus rein finanziellen Überlegungen kann anstelle einer sehr komplizierten Fassadendämmung das Isolieren der Keller- und Estrichdecken wirtschaftlicher sein. Am wirtschaftlichsten ist eine Isolation der Fassade dann, wenn aufgrund maroder Bausubstanz eine Fassadensanierung ansteht und eine Baustelleninstallation und ein Baugerüst sowieso schon erforderlich sind. In der Gesamtrechnung fallen dadurch die Kosten für die Dämmung über alles gesehen nicht mehr so stark ins Gewicht.

Trotz Kosten- und Zeitdrucks auf Sorgfalt und Dialog achten

Sorgfalt und Dialog unter den an einer Gebäudesanierung Beteiligten sind die Erfolgsfaktoren einer energetischen Sanierung. Die Planung einer Dämmung sollte wie alle energetischen Massnahmen nicht isoliert betrachtet werden. Sie bedarf aufgrund von Anschlüssen und nötigen Abdichtungen grösster Sorgfalt. Eine ganzheitliche Planung umfasst, genauso wie eine durchgehende Aussenwärmedämmung, das gesamte Gebäude: von der Dachoberkante bis zum Keller im Erdreich. Nur so können die Wärmeverluste auf ein Minimum reduziert werden.

Bei der Submission – der Ausschreibung der zu tätigenden Arbeiten – ist ebenso wie bei der Wahl der Unternehmer für die Arbeitsvergabe Sorgfalt geboten. Vor dem Hintergrund des Kosten- und Zeitdrucks nehmen sich viele Unternehmer nicht mehr die nötige Zeit, ein Angebot sorgfältig, korrekt, lückenlos und für die Bauherrschaft nachvollziehbar zu erstellen. Leider verfügen nicht alle Unternehmer über die nötige Sensibilität für die Komplexität einer energetischen Sanierung. So kommt es oft vor, dass Anschlüsse und erforderliche Nebenarbeiten wegen Unwissens oder Unachtsamkeit zum Leid der Auftraggeber in Offerten nicht berücksichtigt werden und im Nachhinein zu unerwarteten Mehrkosten führen. Auch wenn sich Hauseigentümer für ausführungserfahrene Unternehmer entscheiden, ist dies noch kein Garant dafür, dass während der Ausführungsphase die Abstimmung zwischen den einzelnen Gewerken auch reibungslos funktioniert. Hier empfiehlt es sich, jeweils vor Beginn der Arbeiten in einer Koordinationssitzung mit allen Beteiligten sämtliche Details und Schnittstellen zu besprechen und sicherzustellen, dass sich die Arbeiter auf der Baustelle auch sprachlich verstehen. Einhergehend mit dem heute üblichen Kosten- und Termindruck steigt auch das Risiko
von Fehlern.

Wer sein Gebäude energetisch ertüchtigen will, ist gut beraten, direkt mit Planern und Ausführenden zusammenzuarbeiten, um den Wissenstransfer und die Kommunikation sicherzustellen. Die meisten Bauschäden entstehen nicht aufgrund mangelhafter Produkte, sondern durch nicht korrekt ausgeführte Arbeiten.

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